„Vor mehr als 25 Jahren habe ich Bienenwachs als Werkstoff für meine Malerei entdeckt. Viele Experimente mit den unterschiedlichsten Materialien waren dem voraus gegangen. Als ich das Wachs zum ersten Mal eingesetzt hatte, spürte ich intuitiv, dass es das ist, nach dem ich lange gesucht hatte."

Marlis Albrecht hat mit vielen künstlerischen Ausdrucksformen und Materialien experimentiert, bis sie 1994 Bienenwachs als idealen Werkstoff für sich entdeckte. Ab diesem Zeitpunkt arbeitet sie beständig und fast ausschließlich mit diesem Naturstoff. Die Konzentration auf den flexiblen Werkstoff Wachs hat bei der Künstlerin eine hoch entwickelte, eigenständige Technik hervorgebracht, die in dieser Form ohne unmittelbares Vorbild ist. Geschmolzenes, mit Pigmenten gefärbtes Bienenwachs gießt, pinselt und spachtelt sie in Schichten auf den Malgrund Holz auf. Zu kurz greift der Begriff Enkaustik: Marlis Albrecht hat mit dem Material Wachs einen Pakt geschlossen, um eine eigene Welt zu erschaffen. Auf der wächsernen Malfläche entstehen durch Abkratzen, Abschaben und Einritzen, durch das teilweise Einbringen von Fäden, Schnüren, Papieren, durch Übereinanderlegen und wieder Abtragen einzelner Schichten komplexe Bildwerke mit teils reliefartiger Oberfläche. (Textauszug aus dem Katalog „Menschen wachsen“ | Gisela Hack-Molitor)

Thematisch fokussiert auf die zwei Bereiche menschliches Antlitz und Wald, beides Symbole unergründlicher Natur, bewegt sich Marlis Albrecht noch im Bereich des Figurativen und der Landschaft, wobei sie gekonnt den Bogen zwischen vermeintlicher Realitätsspiegelung und purer Imagination spannt. Die malerische Umsetzung einer Idee, die sich in der untersten Wachsschichtung konturiert, um sich dann im fortschreitenden Malprozess behutsam bis an die Oberfläche zu „vertiefen“, lässt ein solches Werk lebendig und offen bleiben.

Es wirkt auf den Betrachter auf entrückte Weise poetisch-lyrisch. Ob sensualistisches Landschaftserlebnis oder verrätseltes Antlitz – Marlis Albrechts Arbeiten wenden sich einem zutiefst romantisch geprägten Weltverständnis als zeitgemäß neu zu definierendes künstlerisches Paradigma zu.

(Textauszug aus dem Katalog ATMOS | Irmgard Sedler)

ICH MÖCHTE NICHT DEN WALD ODER DIE MENSCHEN MALEN,

SONDERN DAS GEHEIMNIS, DAS SIE UMGIBT

Im Zeitalter der unendlichen Reproduzierbarkeit von Bildern verflüchtigt sich deren Oberfläche, werden sie zu einer Ansammlung von Pixeln auf Bildschirmen und Druckpapieren. Sie haben alle Festigkeit verloren, haptische Qualitäten entgleiten. Die Digitalisierung hat mit dem Übergang ins 21. Jahrhundert Bilder im wahrsten Wortsinn immateriell werden lassen.

Steht man vor einem Original, kann man sich dessen Materialität wieder nähern. Eine eigenwillige Herausforderung für den Betrachter bietet dabei die Wachsmalerei, eine künstlerische Technik, die schon in der griechisch-römischen Antike bekannt war, die in der Neuzeit jedoch äußerst selten – fast man könnte sagen exklusiv – praktiziert wird.

Wachsmalerei wird oft synonym zum Wort „Enkaustik“ gebraucht, einem altgriechischen Begriff, der sich in etwa mit »Einbrennkunst« übersetzten lässt. In der antiken Technik wurde das Wachs als Bindemittel für verschiedene Farbpigmente genutzt und das so gefärbte Wachs mit Hilfe von heißen Werkzeugen - wie z.B. Spachteln - auf Bildträger aufgetragen, die damals zumeist aus Holz, Elfenbein oder auch aus Stein waren.

Den Begriff »Enkaustik« umgibt gelegentlich ein Hauch von Magie, der daher rühren mag, dass die »Einbrenntechnik«, die Wachs durch Erhitzen mit dem Bildgrund verbindet, tatsächlich Schöpfungen ermöglicht, die Jahrtausende überdauern.

Unter den Zeitgenossen finden sich kaum Künstler, die ausnahmslos mit Wachs arbeiten und die Eigenschaften des Materials für ihre Arbeiten nutzen. 

Marlis Albrecht hat sich seit 1994 ausschließlich diesem Werkstoff zugewandt. Sie entwickelte über lange Jahre ganz eigene Lösungen im Umgang mit dem Bienenwachs. Da das Wachs bei der Malerei von Marlis Albrecht als „lebendiges Material“ auf dem Bildträger liegt, ohne eingebrannt zu sein, greift der Begriff „Enkaustik“ bei ihr zu kurz.

Es ist vielmehr ein Malen aus dem Wachs heraus.

Hermann Mildenberger

„Wachs kann durch seine Beschaffenheit

auf Geheimnisvolles verweisen.

Wachs lenkt das Licht nach innen.“

Marlis Albrecht

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